Coast to Coast Walk, England Juni 2025

Der Coast to Coast Walk ist ein Fernwanderweg im Norden Englands. Er verbindet die West- und Ostküste auf einer Strecke von etwas über 300 km, durchquert die Nationalparks Lake District, Yorkshire Dales und North York Moors und bietet so einen Querschnitt durch die wunderschönen Landschaften Nordenglands. Dabei verläuft er fast exakt in Ost-West-Richtung, von St. Bees an der Irischen See bis Robin Hood’s Bay an der Nordsee. Der Coast to Coast Walk, zusammengestellt vom kauzigen britischen Wanderschriftsteller Alfred Wainwright, ist angeblich einer der schönsten Fernwanderwege der Welt.

Dieses Mal gehe ich zunächst nicht allein, sondern in Begleitung meiner Tochter Layla und meinem Sohn Noel.

14.06.2025

Seit Vorgestern bin ich schon in Northshields und heute morgen fahren wir mit dem Zug, der erstaunlicherweise absolut pünktlich kommt, nach St. Bees, wo der Weg beginnt.

Die ersten Kilometer gehen an der Steilküste entlang – sehr schön, aber auch anstrengend, da es hoch und runter geht. Als der Weg dann ins Inland abbiegt, fängt es an zu regnen. Den ganzen Nachmittag nieselt es immer wieder. Wir schaffen nicht die vorgegebene Etappe und finden erst nach 20 Kilometern einen Platz, wo wir unsere Zelte aufbauen können, einen Schotterparkplatz am Ende einer schmalen asphaltierten Straße irgendwo im Nirgendwo. Hier kommen in der Nacht garantiert keine Wander oder Autos vorbei.

Dachten wir. Das erste Auto mit Hundehalter kommt um 4:00 Uhr und fährt um 5:30 Uhr als die nächsten zwei kommen. Die begrüßen uns freundlich und freuen sich mit uns, dass das Wetter nach einer regnerischen Nacht gut zu werden scheint.

15.06.2025

Der weitere Weg nach Ennerdale Bridge ist schön, das Wetter auch. Wir bekommen ein leckeres Frühstück und unsere Sachen trocknen größtenteils. Als wir von dort loskommen, ist es schon halb zwölf und es fängt leider wieder an zu regnen. Es geht entlang eines großen Sees mit Alpenpanorama und spektakulärer Landschaft. Wir können leider nur wenig davon sehen, weil alles verhangen ist.

Man sagt uns, am Nachmittag soll es schön werden. Eine glatte Lüge. So behalten wir auch bei der nächsten Pause unsere Regensachen an. Ein Restaurant, Geschäft oder Café kommt nicht mehr.
Durchnässt und müde erreichen wir ein uriges Haus, dass sich als Herberge entpuppt.

Obwohl wir noch keine Tagesetappe gemacht haben, beschließen wir, hier zu bleiben. Es ist schon warm drinnen und wir kommen sofort mit dem Leuten, die hier nächtigen ins Gespräch. Leider sind die wenigen Schlafplätze, die es hier gibt ausgebucht. Der Betreiber erlaubt uns auch nicht hier zu zelten und Essen will er uns auch nicht verkaufen. So ziehen wir schweren Herzens weiter. Auf Komoot war die heutige Tour als schwer beschrieben und so wird es auch jetzt. Es geht steil über Felsenstufen bergauf, immer begleitet vom lauten Rauschen eines Bergbachs.

Als wir nicht mehr können, erreichen wir ein Plateau, das wir von dicken Steinen befreien, um unsere Zelte irgendwie auf dem nassen Untergrund zusammenzuquetschen. Pitschnasse Füße haben wir schon lange, jetzt muss ich feststellen, dass mein Rucksack trotz Regenhülle nicht dicht war und meine sauberen Sachen nass sind. Es hört aber erfreulicherweise auf zu regnen und nach einem wärmenden Tee kriechen wir in unsere Schlafsäcke.

Warum tut man sich so etwas freiwillig nur an.

16.06.2025

Die Antwort gibt es am Morgen. Schon um sechs Uhr begrüßt und ein strahlendblauer Himmel und entschädigt uns für den beschwerlichen Nachmittag. Der Ausblick ist wunderschön. So verbringen wir noch ein paar Stunden hier bis alle Sachen getrocknet sind.

Die Sonne begleitet uns den ganzen Tag. Das letzte steile Stück ist schnell geschafft und dann wird der Weg leichter und wir sehen von oben die Landschaft und Seen, deren Anblick und gestern verwehrt blieb.

Eine ehemalige Grube, die man besichtigen kann, mit einem angegliederten Steinbruch, ist jetzt ein Outdoor-Center und wir bekommen dort ein leckeres Frühstück. Der nächste Ort besteht nur aus wenigen alten schönen Häusern. Der angekündigte Hofladen bietet leider nur einige Dosensuppen und Fertignudeln – besser als nichts.
Das letzte Stück unserer heutigen Etappe geht dann wieder steil nach oben. Wir finden rechtzeitig einen traumhaften Zeltplatz direkt am Bergbach.


Der Wind schüttelt das Zelt in der Nacht kräftig durch. Es fängt an zu regnen.

17.06.2025

So fällt es schwer, morgens den schönen Platz zu verlassen und das pitschnasse Zelt einzupacken.
Bis zum Gipfel ist nun häufig klettern angesagt. Es ist sehr kräftezehrend, ein Weg kaum zu erkennen. Wie schon an den vergangenen Tagen müssen oft Gebirgbäche überquert werden.


Bis zum Gipfel ist nun häufig klettern angesagt. Es ist sehr kräftezehrend, ein Weg kaum zu erkennen. Wie an den vergangenen Tagen müssen häufig Gebirgbäche überquert werden.

Mittags erreichen wir einen touristischen Ort, Layla beschließt die Tour abzubrechen und zu zweit wandern wir weiter. Noch einmal kommt ein kräftiger Anstieg, der uns nach einigen Stunden zum Gipfel füht, wo wir auf einen erstaunlich großen wunderschönen See treffen.

Es hat aufgehört zu regnen, aber es ist zu nass, um hier zu campieren. So ziehen wir weiter, bis wir spät abends das Hostel mit Campingplatz erreichen. Leider gibt es beides seit einem Jahr nicht mehr. Wir sind ziemlich geschafft, was uns die Familie, die dort an einem Grill sitzt, wohl ansieht. Sie bieten uns an, auf dem ehemaligen Campingplatz zu übernachten und so haben wir den gesamten Platz für uns allein. Leider ohne warme Dusche.

18.06.2025

Der Platz ist schön und das Wetter ist heute gut.

Es geht direkt bergauf und zwar noch höher als gestern. Von oben sieht man, warum die Gegend Lake District heißt: ein See nach dem nächsten.

Der Weg nach oben ist anstrengend, aber technisch nicht schwer. Der Abstieg hingegen birgt einige schwierige Passagen und führt zu einem riesigen Stausee. In einem Wäldchen steht eine Kühlbox mit Getränken, an der wir uns freudig bedienen. Auf dem Navi wird ein Campingplatz angezeigt, allerdings finden wir keine Infos oder Telefonnummer. Als wir dort ankommen, ist nichts von einem Campingplatz zu sehen. Als wir gerade wieder gehen wollen, sehen wir am Gartentor eines schönen Hauses ein kleines Schild: Wenn du campieren willst, komm ruhig rein. Der Hund bellt wie verrückt, ist aber harmlos – so ist es dann auch.

Die Tür des Hauses steht offen, auf mein Rufen meldet sich aber niemand. Als wir um das Haus herumgehen, sehen wir durch die Terrassentür einen alten Mann mit langem Bart. Der erzählt, dass er sehr krank sei und kaum noch laufen könne. Das Badezimmer sei die zweite Tür rechts und das Zelt können wir im wunderschönen Garten beim Wasserfall aufbauen. So haben wir wieder einen Platz für uns allein -dieses Mal mit Dusche. Leider gibt es, wie an den letzten Abenden auch, zahlreiche Midges, die Minifliegen, die und belästigen.

19.06.2025

Keine Wolke mehr am Himmel und für die nächsten acht Kilometer keine Berge. So kommen wir ohne Probleme nach Shap, wo es ein Geschäft und ein Cafe gibt. Die Landschaft hat hat sich verändert.

Der weitere Weg von Shap wirkt wüstenartig – endlose Wiesen, Steine und niedrige Sträucher.

Wir kommen schließlich an einem Farmcamping unter. Der ausgesprochen nette Farmer zeigt uns unseren Platz mit dem angeblich besten Ausblick im Lake District. Man kann tatsächlich sehr weit blicken und die Berge sehen, aber spektakulär ist das nicht. Das Besondere, erklärt er, ist, dass es kein Haus, keine Straße, kein Licht, nichts außer Schafen gibt, so weit das Auge reicht, und es reicht wirklich weit. So genießen wir den lauen Sommerabend.

20.07.2025
Auch der weitere Weg führt weitgehend über Wiesen. Die einzige Konstante auf dem bisherigen Weg sind die Schafe. Sie sind überall, selbst an den steilen Felsen. Auch einige Punks sind darunter.

Erst die letzten paar Kilometer sind wieder etwas hügelig.

So erreichen wir am frühen Nachmittag Kirkby Stephen, wo ich Klamotten waschen und endlos duschen kann. Noel muss morgen mit dem Zug zurück nach Newcastle. So verbringen wir den restlichen Tag in diesem recht schönen Ort und lassen uns bedienen.Hier treffen wir einige Wanderer, mit denen man schnell ins Gespräch kommt. Die meisten machen die selbe Tour und einige treffe ich mehrmals wieder.

21.06.2025

Gerade erlebe ich das heftigste Gewitter seit Jahren, mächtig furchteinflolößend und das im Zelt. Ich mache mich klein, lange habe ich nicht mehr solche Angst gehabt.
Obwohl ich spät losgekommen bin, bin ich gut vorangekommen. Noel und ich haben noch in aller Ruhe zusammen gefrühstückt, bevor wir uns verabschiedet haben und ich allein weiterziehe. Es geht nun in die Pennines, das heißt bergauf, aber der Weg ist leicht zu gehen und bietet keine besonderen Herausforderungen.

Die Landschaft verändert sich deutlich, wird hügelig. Hier gibt es wieder mal nichts, keine Straße, kein Haus, kein menschengemachtes Geräusch, keinen Baum und keinen Handyempfang.

Der Wetterbericht hatte Regen angekündigt, der bis auf wenige Ausnahmen ausbleibt. So erreiche ich schon gegen 16:00 Uhr das angepeilte Etappenziel bei gutem Wetter. Ob ich ein Gewitter auf dem Campingplatz hier erlebe oder sonstwo, ist doch gleich, denke ich, und ziehe weiter, um noch ein paar Kilometer zu machen. Jetzt bin ich unsicher, ob das eine gute Idee war.
Es ist vorbei, hoffentlich endgültig. Ich bade im erfrischenden Bach – mein Zeltplatz ist wieder idyllisch.

22.06.2025

Ich komme früh los und erreiche Reeth, die nächste Station, schon vor Mittag. So kann ich nach einer langen Erholungspause mit der vegetarischen Version eines Full English Breakfast die nächste Etappe angehen.

Die Wege sind nach wie vor gut begehbar.
Mittlerweile befinde ich mich in den Yorkshire Dales. Hier ähnelt die Landschaft dem Bergischen.

Bisher gab es keinen Wald, nur einzelne Bäume, und die eher selten. Ich erreiche am Abend Richmore, eine sehenswerte alte Stadt. So habe ich nun drei der vorgegebenen Etappen in zwei Tagen geschafft.

23.06.2025